Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Zum Gedenken an Fabrikdirektor Franz Teschner (1867 – 1945)


von Dr. agr. Brigitte Hähnel-Uhlemann


Am Sonntag, dem 2. März 1997 jährt sich zum 130. Male der Geburtstag meines Großvaters Franz Gustav Teschner, des Fabrikdirektors und alleinigen Vorstandes der LIPSIA Chemische Fabrik AG Mügeln. Seinem mehr als 40jährigem unermüdlichem Wirken war es gelungen und zu danken, dass die „LIPSIA“ und mit ihr die sächsische Kleinstadt Mügeln zu beachtlichem Wohlstand und einem hohen Bekanntheitsgrad weit in der Welt gelangten.

Einer alteingesessenen Stettiner Kaufmannsfamilie entstammend, setzte Franz Teschner diese Tradition fort, erlernte den Kaufmannsberuf und sammelte als junger Mann Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet des Handels und Wandels an verschiedenen Orten und in verschiedenen Ländern. So war er u. a. in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts an der Gründung und Führung eines Exportgeschäftes in Schottland beteiligt und hat auf den Schiffen seines Onkels Ivers, der in Stettin eine Reederei besaß, Reisen in viele Länder unternommen.

Am 3. Juli 1899 folgte er einem Angebot, die Leitung der LIPSIA in Mügeln zu übernehmen. Diese Aktiengesellschaft war nach mehrjährigem Betreiben des damaligen Besitzers der Mügelner Apotheke, Herrn Heinrich Konrad, 1898 gegründet worden; dem Gedanken folgend, auf der Grundlage des in der Gegend anstehenden Dolomitenkalkes den chemischen Stoff „Magnesia“ mittels eines in England bereits erprobten Verfahrens zu gewinnen und damit in Mügeln einen neuen Industriezweig zu entwickeln und aufzubauen.

Nach anfänglichen Fehlschlägen und allen Unkenrufen zum Trotz gelang es Franz Teschner durch unermüdliche Tatkraft, große Umsicht und hohes Können, die Produktion auf Magnesia-Spezialprodukte auszurichten, die vielseitigen Verwendungszwecken in der Medizin, Kosmetik, Gummi- und Papierfabrikation, der künstlichen Meerschaumverarbeitung u. a. dienten. Neben der Haupterzeugung von kohlensaurer und daraus hergestellter gebrannter Magnesia konnten eine Anzahl von Nebenprodukten für weitere Verwendungszwecke gewonnen werden. Bis dahin nicht bekannte Absatzgebiete wurden weltweit erschlossen sowie günstige Importe von geeigneteren Rohstoffen (Magnesitgestein aus Italien, Jugoslawien und Griechenland über den Hamburger Hafen getätigt. Auf dieser Grundlage konnte das Werk eine beträchtliche Erweiterung erfahren, im Mehrschichtsystem arbeiten und die Anzahl der Beschäftigten im Laufe der Zeit auf ca. 300 steigern. An diesem wirtschaftlichen Erfolg partizipierte in hohem Maße die Reichsbahn, einschließlich der Mügelner Schmalspurbahn, durch die Zufuhr von Rohstoffen, Kohlen, sowie dem umfangreichen Versand der Fertigwaren in das In- und Ausland.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit, die in hohem Maße die Sorge um die persönlichen Belange aller Betriebsangehörigen und der Betriebsveteranen sowie bedürftiger und kranker Einwohner der Stadt einschloss, übte er zahlreiche Funktionen auf Landes- und Kreisebene aus, so u. a. in der Industrie- und Handelskammer Dresden, der Allgemeinen Deutschen Kreditanstalt (ADCA) Leipzig, im Vorstand und Ausschuss der Ortskrankenkasse Mügeln. Er war Mitglied in fast allen Mügelner Körperschaften und Verbänden: FFW, Sanitätskolonne, Rotes Kreuz, Turnverein, Kyffhäuserbund, Kantoreigesellschaft Mügeln (seit 1910), Verein Mügelner Landsmannschaft zu Leipzig; Mitbegründer des damaligen Handelsschulvereins und Förderer dieser Schule.

Besonders erwähnenswert ist sein jahrelanges erfolgreiches Wirken als Vorstand im Stadtverordneten-Kollegium der Stadt bis Ende 1932, getreu des Wahlspruches: „Suchet der Stadt Bestes“. So sind die Gründung der damaligen Baugesellschaft mit der Entstehung der Häuser an der heutigen August-Bebel-Straße (damals Börngenstraße nach Bürgermeister Börngen), das Stadtbad Mügeln und weitere Einrichtungen und Anlagen der Stadt wesentlich seiner Einflussnahme und Förderung zuzuschreiben. Er stiftete zur Erinnerung an seine früh verstorbene Tochter Magdalena (1917) der Schule eine Standuhr. Dem Allgemeinwohl dienende Mittel flossen Vereinen und Veranstaltungen – teils auch aus dem Reingewinn der LIPSIA – zu. In den dreißiger Jahren erfolgte die Stiftung des bunten Glasfensters im Treppenaufgang des Rathauses sowie der goldenen Kette für den jeweiligen Amtsinhaber des Bürgermeisterstuhles der Stadt.

Hohe Anerkennung und Würdigung erfuhr Franz Teschner anlässlich seines 40jährigen Betriebsjubiläums sowie seiner 70. und 75 Geburtstage, die jeweils mit einem Morgengruß der Betriebskapelle begannen. Älteren Einwohnern der Stadt sind vielleicht noch das Blumenmeer und der abendliche Fackelumzug mit dem Buntfeuer vor der Villa, veranstaltet von der FFW und dem Sanitätszug, erinnerlich. Die Stadtverwaltung überreichte am 2. März 1937 eine künstlerische Glückwunschadresse und am 2. März 1942 als Erinnerungsgeschenk ein vom heimischen Kunstmaler Kurt Striegler geschaffenes Gemälde (Blick auf die LIPSIA als Winterlandschaft vom Süden der Stadt gesehen).

Bei seinem Ausscheiden aus dem Ehrendienst der Stadt Mügeln Ende 1932 wurde zur dauernden Würdigung seiner Verdienste der Straßenzug von der Wermsdorfer Straße entlang der Fabriken bis zur Leisniger Straße in „Franz-Teschner-Straße“ umbenannt, was ihr sehr berührt hat. (Mügelner Anzeiger vom 24.2.1933.) Sollte einmal der Zeitpunkt der vor wenigen Jahren angekündigten Straßenumbenennungen für Mügeln gekommen sein, wäre es sehr wünschens- und begrüßungswert, wenn die heutigen Stadtväter sich des damaligen Beschlusses in positiven Sinne erinnern könnten.

Franz Teschner war trotz aller beruflicher und öffentlicher Beanspruchungen ein geselliger und liebenswerter Bürger dieser Stadt, gedacht sei an seine Teilnahme und Förderung der Skat-Stammtische im „Roten Hirsch“ und bei „Gatzschnick/Feßler“, der Gesellschaft „Harmonie“ und vieler weiterer Veranstaltungen und städtischer Feste.

Seiner Familie war er ein stets treusorgender und liebevoller Ehemann, Vater und Großvater mit immer offenen Ohren und Herz für alle unsere großen und kleineren Freuden und Nöte.

Er hielt die Führungsfäden der LIPSIA, in den letzten Jahren unterstützt von den Herren Neukranz und Dr. Voß, bis wenige Tage vor seinem Tode am 14. Dezember 1945 fest in den Händen. Auch nach dem Kriege im Mai 1945 hatte er die LIPSIA-Produktion teil mit Ersatz-Artikeln (Seife, Backpulver u. a.) trotz aller Widrigkeiten am Laufen gehalten. Enteignung 1946 und Niedergang seines Lebenswerkes musste er dank einer gütigen Fügung nicht mehr erfahren.

Wir, seine Enkelkinder und Nachkommen werden ihn stets in dankbarer Erinnerung behalten in dem Bemühen, seinem pflichtbewussten Vorbild nachzueifern.