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Mügelnwahl


  Sie haben nähere Angaben zu folgendem Chronikeintrag angefordert:  
  Mißliche Finanzverhältnisse machen die Aufnahme eines Darlehens von 10 000 Mark und Steuererhöhungen nötig.
 
  Der ausführlicher Ereigniseintrag lautet:
 

Die Stadtväter bewilligen höhere Steuern Ebbe in der Stadtkasse. Eine Anleihe von 10.000 RM. für die dringendsten Bedürfnisse. Stadtverordneten – Sitzung am 13. Juni 1929 Anwesend sind alle Stadtverordneten außer den Herrn Stadtrat Uhlig und Stadtv. Esperstedt und Rammer, welche entschuldigt fehlten. Herr Stadtv. – Vorst. Teschner begrüßt die Erschienenen, sein besonderer Gruß gilt Herrn Bürgermeister Kern, welcher nach mehr als einjähriger Krankheit zum ersten Mal wieder an der Stadtverordnetensitzung teilnehmen kann. Den Platz des Herrn Bürgermeisters schmückt ein Blumenstrauß. Herr Bürgermeister Kern dankt mit bewegten Worten für die herzliche Begrüßung. Die Tagesordnung wird dann wie folgt erledigt: Punkt 1. Geschäftsbericht 1928 vom Ferngasverband Leisnig Eine ausführliche Aussprache über den vorliegenden Geschäftsbericht wird verschoben, bis die Generalversammlung des Ferngasverbandes stattgefunden hat. Als bemerkenswert teilt der Herr Vorsteher aus dem Bericht mit, dass der Gasverbrauch in Mügeln nur um 0,6 v. H. zugenommen hat, während in anderen Orten die Zunahme des Verbrauchs viel größer ist. Punkt 2. Gesuch einiger Feldpächter um Aufhebung der Sperre der Feldgasse für den Verkehr mit Handwagen. Nach dem Vorschlag des Betriebsausschusses lehnte das Kollegium die Aufhebung der Sperre nach Anhörung der verschiedenen Gründe ab, welche schon früher zur Sperrung der Gasse geführt haben. Punkt 3. Antrag des Gastwirts Robert Grau, Errichtung einer Tankstelle vor seinem Grundstücke am Marktplatze. Das Kollegium ist mit dem Antrag grundsätzlich einverstanden. Verschiedene Anregungen und Vorbehalte aus der Mitte der Versammelten heraus sollen bei Abfassung des Vertrags mit dem Antragsteller berücksichtigt werden. Punkt 4. Befristetes Darlehen aus der Wasserrohrnetzrücklage für städtische Betriebsmittelzwecke. Im Hinblick auf die misslichen Finanzverhältnisse der Stadt – die städtischen Kassen sind leer – sieht sich das Kollegium gezwungen, das Darlehen bis zur Höhe von 10.000 Reichsmark zu den üblichen Bedingungen, bis Ende des Jahres rückzahlbar, zu gewähren. Zusammen behandelt werden: Punkt 5. Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer auf 150 v. H. Punkt 6. Erhöhung der Hundesteuern um 50 v. H. ab 1.4.1929 Punkt 7. Erhöhung des Gas- und Wasserzinses ab 1.7.1929 auf 25 Pfg. für den Kubikmeter. Der Herr Vorsteher verliest ein Schreiben des Stadtrats, wie dieser seinen Antrag begründet und die dringende Bitte an das Kollegium richtet, zur Beseitigung des außerordentlich hohen Fehlbetrags im Haushaltsplan die Erhöhung obiger Steuern zu beschließen. Das Mehraufkommen zu Punkt 5 würde etwa 10.000 Reichsmark, zu 6 1.000 RM und zu 7 2.250 RM und 2.475 RM, zusammen 17.775 Reichsmark betragen. Der Herr Vorsteher teilt weiter mit, dass der Verwaltungsausschuss die Steuererhöhung mit 4 gegen 2 Stimmen abgelehnt habe und dass die bürgerliche Fraktion bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage eine Verantwortung für die weitere Anziehung der Steuerschraube nicht übernehmen könne. In dem letzten Jahre habe der Haushalt stets einen Fehlbetrag in ähnlicher Höhe ausgewiesen, der am Ende des Rechnungsjahres erfreulicherweise stark vermindert aufgetreten sei. Auf Grund dieser Erfahrung glaubten die Angehörigen der bürgerlichen Fraktion, dass eine Steuererhöhung vielleicht nicht notwendig sein würde. Sie lehnte daher die Erhöhung um 50 v. H. ab und wollte im Herbst erneut die Frage prüfen, ob man ohne Erhöhung auskommen könne. Es könne nicht ausbleiben, dass von Seiten der Regierung etwas für die kleinen Gemeinden geschehe, da bei Fortdauer der gegenwärtigen Verhältnisse ein Zusammenbruch nicht ausbleiben könne. Herr Bürgermeister Kern bedauert lebhaft, dass seine erste Arbeit nach seiner Krankheit diese Vorlage sein müsse, aber die dringende Notwendigkeit zwinge ihn dazu. Die Kassen seien leer und das heute bewilligte Darlehen sei eine Notmaßnahme. Lehne das Kollegium eine Steuererhöhung ab, so habe die Stadt keine Aussicht, aus dem Ausgleichsstock etwas zu erhalten oder eine Anleihe flüssig machen zu können. Er sei dann gezwungen, die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten zu veranlassen, die dann bestimmt die 150 v. H. festzusetzen werde. Herr Bürgermeister Kern schließt seine längeren Ausführungen mit einem Appell an die Stadtverordneten, die Stadt nicht im Stich zu lassen und schlägt vor, wenn die 50 v. H. Erhöhungen abgelehnt würden, wenigstens 25 v. H. bis auf weiteres zu bewilligen. Herr Stadtv. – Vorsteher Teschner legt nochmals eingehend die zwingenden Gründe dar, welche die bürgerliche Fraktion zu ihrer ablehnenden Stellungnahme kommen ließen und lässt keinen Zweifel über die schweren Auswirkungen einer Steuererhöhung für das ohnehin schwer ringende Handwerk und Gewerbe, das Baugewerbe, die Industrie usw. Redner teilt die Interessante Tatsache mit, dass Gewerbe, die früher 70 v. H. Aufträge aus der Landwirtschaft hatten, heute nur noch 2 v. H. haben – übrigens auch der Beitrag zur Geldnot in der Landwirtschaft. Herr Stadtv. Neumann unterstützt die Vorlage des Stadtrates und bittet um Erhöhung um 50 v. H. Herr Stadtv. Lehmann betont, dass auch in seiner Partei viele kleine Haus- und Grundbesitzer seien, die betroffen würden; trotzdem müsse man im Hinblick auf die Finanzverhältnisse der Stadt auf eine Erhöhung zukommen. Herr Stadtv. Posselt lehnt für den Hausbesitz eine Erhöhung ab; der Hausbesitz sei an der Grenze des Möglichen und der könne auch einer Erhöhung um 25 v. H. nicht zustimmen. Bei der Abstimmung wird darauf eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer um 50 v. H. gegen 6 Stimmen der Linksfraktion abgelehnt. Die bürgerliche Fraktion zieht sich hierauf zu einer Beratung zurück, um den zweiten Vorschlag des Herrn Bürgermeisters – 25 v. H. bis auf weiteres – zu prüfen. Herr Stadtv. – Vorsteher Teschner gibt nach Wiedereröffnung der Sitzung eine Erklärung ab, dass die bürgerliche Fraktion unter dem Druck der Verhältnisse schweren Herzens beschlossen habe, einer Erhöhung um 25 v. H. bis auf weiteres zuzustimmen unter der Bedingung, dass auch die vorgeschlagenen Steuern für die Allgemeinheit der Bevölkerung vom Gesamtkollegium bewilligt würden. Gegen eine Stimme(des Hausbesitzes) werden dann die unter 5, 6 und 7 beantragten Steuererhöhungen, unter Punkt 5 auf 125 v. H. bis auf weiteres, bewilligt. Herr Bürgermeister Kern dankt dem Kollegium und versichert, alles versuchen zu wollen, mit dieser Erhöhung auszukommen und di Steuer möglichst bald wieder herabsetzen zu können. Damit ist die Steuererhöhung zur Sanierung der städtischen Finanzen nach langer Aussprache und schwierigen Beratungen glücklich unter Dach und Fach gebracht. Man muss der bürgerlichen Fraktion zugestehen, dass sie sich bis zum äußersten gegen die höheren Steuern gewehrt hat, dass sie aber durch die Verhältnisse gezwungen wurde, das kleinere Übel dem größeren vorzuziehen, nämlich 25 v. H. zu bewilligen, als von der Aufsichtsbehörde 50 v. H. festsetzen zu lassen. 125 v. H. wirken sich so aus, dass von einem Steuerbetrag von z. Bsp. Bisher 20 Reichsmark, künftig 2,50 Reichsmark mehr zu zahlen sind. Hoffen wir, dass es Herrn Bürgermeister Kern gelingt, nachdem die Stadtverordneten ihren guten Willen gezeigt haben, auch aus dem Ausgleichsstock Mittel zu erhalten. Im Übrigen soll wirkliche Notlage bei Erhebung der Steuer in weitgehendem Maße berücksichtigt werden.


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